November 1993

 

Ostertaler Auswanderer bauten Dorf in Ungarn

Peter Glöckner berichtete über seine Vorfahren.

 

Saal. Auswanderer aus Hessen und der Pfalz, darunter auch viele Familien aus dem Ostertal, gründeten im 18. Jahrhundert im Dreieck Plattensee/Donau/Drau in Ungarn den Ort Moragy, aus dem Nichts und schufen mit ihrer Hände Fleiß eine blühende Gemeinde, die im 2. Weltkrieg rund 2000 Deutschstämmigen Einwohner hatte. Über das Schicksal der Auswanderer berichtete locker plaudernd Peter Glöckner aus Backnang, dessen Vorfahren 1724 aus dem Ostertal nach Ungarn ausgewandert waren, im Gasthaus Lang in Saal.

Der Heimat- und Kulturverein Ostertat hatte seine Mitglieder und Vertreter der Ostertaler Klöckner-Familien (Schreibweise heute mit K hier) zu diesem Treffen eingeladen. Wie der Vorsitzende Hans Kirsch eingangs erklärte, hätte die Menschen der Wunsch beseelt, ihrer trostlosen wirtschaftlichen Lage zu entkommen und sie zu dem schweren Entschluß veranlaßt, ihre Heimat zu verlassen.

Bestärkt wurden: sie dabei von Agenten (Werbern), die geschickt die Vorzüge der fremden Länder priesen. Aus dem Ostertal seien damals vorn Oberamt Lichtenberg folgende Personen (mit Familien) gratis aus der Leibeigenschaft entlassen worden:

Theobald Seyler aus Bubach, Jakob Theobald, Hans Adam und Johann Jakob Glöckner, alle aus Niederkirchen. Peter Brandt aus Niederkirchen, Hans Adam Glöckner aus Osterbrücken und Peter Igel aus Marth. Weitere Familien aus dem Ostertal seien in den nächsten Jahren gefolgt. In dem Ansiedlungsvertrag vom 1.Juli 1724 sei den Neusiedlern von den Grundherren sechs Jahre Befreiung von Abgaben und Religionsfreiheit zugesichert, aber beides nicht eingehalten worden, berichtete Glöckner. Die Aussiedler hätten zunächst zu Fuß bis nach Ulm müssen. Auf „Ulmer Schachteln“, flachen Donaubooten seien sie dann flußabwärts in ihre neue Heimat gefahren. Was sie dort vorfanden, müsse erschreckend gewesen sein, so Glöckner.

Die Türkenheere hätten über 100 Jahre das Land verwüstet. In den hügeligen Gegend (wie im Ostertal) hätte kein Haus mehr gestanden und keine Äcker mehr gegeben – nur Wald, Mauerreste von Gebäuden seien total von Sträuchern zugewachsen gewesen. Im ersten Winter hätten die Siedler wohl in Erdhöhlen Schutz vor der Kälte gefunden, mutmaßt Glöckner.

Wie sie sich aber ernährt hatten, sei ungewiß. Im Laufe der Jahrzehnte hätten sie jedoch ein blühendes Dorf aufgebaut mit ihrer Hände Fleiß. Die deutschen Bewohner, soweit sie sich nicht als Ungarn bekannten, seien 1946 vertrieben worden.

Glöckner betonte jedoch, dies sei auf humane Art, ohne Übergriffe und Repressalien geschehen, im Gegensatz zu anderen Ländern des Ostblocks. Seiner Kenntnis nach – er hatte eine Heimatortskartei angelegt – seien etwas über 200 Bewohner deutscher Abstammung in Moragy geblieben. Den damals Vertriebenen gehe es heute durchweg besser als denen, die verblieben sind. In regelmäßigen Treffen halten die einstigen Bürger von Moragy Kontakt und pflegen die alten Bräuche.