Mai 2009

Blickpunkt St. Wendel, 28.05.2009

Heimat- und Kulturverein Ostertal:

Harry Weber erstellte Ahnentafeln für Nachfahren ehemaliger Ungarn-Auswanderer

Niederkirchen. Dass die Familienkunde einen Arbeitsschwerpunkt des Heimat- und Kulturvereins Ostertal bildet, ist gemeinhin bekannt. Dass aber einer der Mitarbeiter auch Familienstammbäume erstellt über die ehemaligen Bewohner eines kleinen Dorfes in Südungarn, dürfte der Öffentlichkeit bisher verborgen geblieben sein. Das Dorf heißt Mórágy, zu Deutsch Maratz und bei dem Familienforscher handelt es sich um Harry Weber aus Niederkirchen. Wieso aber befasst sich ein Ostertaler mit den Einwohnern eines ungarischen Dorfes?

 

Nun, im Jahr 1724 wanderten fünf Ostertaler Familien nach Ungarn aus, wo ihnen ein Grundherr namens Franziscus Kun Land zur Verfügung stellte und drei Jahre Steuerfreiheit gewährte. Die Ostertaler Auswandererfamilien mit den Namen Seyler, Brandt, Igel und Glöckner sowie etliche nachfolgende Familien bauten in der Folgezeit zusammen mit Auswanderern aus Hessen ein Dorf auf, das den Namen Moragy erhielt. 1939, zwei Jahrhunderte später, lebten rund 2.000 Menschen in dem Dorf, ausschließlich Deutschstämmige – eine Parallelgesellschaft, wie so etwas heute bei uns abschätzig genannt wird.

Während es im Ostertal schon fast keine Erinnerung mehr an diese Ungarnauswanderer gab, kamen im Jahr 1981 zwei Nachfahren von ihnen nach Niederkirchen zu Besuch. Sie stellten sich als Peter Glöckner aus dem württembergischen Backnang und als Professor Dr. Peter Glöckner von der Universität Calgary in Kanada vor. Sie berichteten, dass der größte Teil der deutschen Einwohner von Moragy nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ungarn ausgewiesen worden war. Sie siedelten sich nun überwiegend in Nordhessen – Schwerpunkt Bad Hersfeld – und in Württemberg – Schwerpunkt Backnang – an. Seit dem Besuch der beiden Glöckner ’s haben schon zahlreiche weitere Nachkommen der Ungarnauswanderer das Ostertal besucht, um die Heimat ihrer Vorfahren kennenzulernen. Eine enge Beziehung entstand vor allem zwischen den Familien Peter und Lene Glöckner aus Backnang und Harry und Elke Weber aus Niederkirchen. Gemeinsam haben sie auch schon Moragy besucht, in dem heute ganz überwiegend Einwohner ungarischer Herkunft leben.

Peter Glöckner als eifriger Heimatforscher hatte über Jahrzehnte hinweg Kopien der Tauf-, Heirats- und Sterbematrikelbücher von Moragy und Umgebung für die Zeit von 1783 bis nach dem Zweiten Weltkrieg zusammengetragen. Diese Sammlung hat Peter Glöckner vor einigen Jahren an Harry Weber übergeben. Als weitere Quellen standen diesem die Forschungs-Ergebnisse von Prof. Dr. Peter Glöckner aus Calgary zur Verfügung. Nachdem Harry Weber für die Nachfahren einer Auswandererfamilie Jakob Müller, die heute in Weinstadt in Baden-Württemberg lebt, eine erste Ahnentafel erstellt hatte, sprach sich dies im Kreise der ehemaligen Moragyer rasch herum. Die Folge war, dass Weber innerhalb der letzten drei Jahre 113 Ahnentafeln für Familien aus vielen Gegenden Westdeutschlands, aber auch aus Schweden, Kanada und Australien erarbeiten musste. Er tat es gerne, sowohl für die Nachfahren der Auswanderer wie für das Ostertal. Bei der traditionellen historischliterarischen Veranstaltung des Heimat- und Kulturvereins Ostertal am 1. November in Hoof wird in diesem Jahr übrigens Peter Glöckner aus Backnang sprechen über „Leben und Schicksal der Ostertaler Auswanderer nach Moragy in Ungarn 1724 bis heute“.