Februar 2017

Band 4 der „Ostertal-Chronik“ wird vorgestellt

Niederkirchen. „Ein solches Buch, das die Weimarer Republik und die Zeit des Dritten Reiches so akribisch aufarbeitet, können nur die wenigsten Gemeinden aufweisen“, kündigte der Mitautor und Vorsitzende des Heimat- und Kulturvereins Ostertal, Hans Kirsch, an. Der Verein stellt am Freitag, dem 17. März 2017, im Kulturzentrum Niederkirchen den vierten Band der „Chronik des mittleren Ostertals“ vor. Beginn ist um 18 Uhr, jeder Interessierte ist eingeladen.

Die Ostertalgemeinden Bubach, Hoof, Marth, Niederkirchen, Osterbrücken, Saal und Selchenbach, die gemeinsam die Bürgermeisterei Niederkirchen bildeten, gehörten damals noch zum pfälzischen Kreis Kusel und kamen erst nach dem Zweiten Weltkrieg zum Saarland – ohne Selchenbach allerdings. Die französischen Bemühungen, diese Gemeinden dem Saargebiet anzuschließen, begannen jedoch schon nach dem Ersten Weltkrieg. Doch die Gemeinderäte stimmten 1920 geschlossen dagegen. So verblieben die sieben Gemeinden bei der Pfalz und nahmen an deren wechselhafter Geschichte teil mit französischer Besatzung, Inflation, Separatistenstürmen, der Situation an der deutsch-saarländischen Grenze, mit dem wirtschaftlichen Niedergang, dem Anstieg der Arbeitslosigkeit und ihren sozialen Folgen. Auch in den kleinen Dörfern entwickelte sich bald eine Zerklüftung der Gesellschaft mit links- und rechtsradikalen Parteien und ihren Auswirkungen auf Vereine und Gruppierungen, ja auf private Verhältnisse. Dabei galt das mittlere Ostertal als Hochburg der Kommunisten, die ab 1924 bei Wahlen stets die meisten Stimmen bekamen, während die SPD marginalisiert wurde. Im Dezember 1931 gründeten auch die Nationalsozialisten in Niederkirchen eine Ortsgruppe, und in der Folge kam es mehrfach zu schweren, teilweise handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Agitatoren.

Das Buch beschreibt detailliert die Gründung der NSDAP-Ortsgruppe und die Entwicklung ihrer Mitgliedschaft bis zum Jahr 1945, ferner auch die Entstehung und Betätigung der Gliederungen und angeschlossenen Verbände der Partei wie SA, SS, NS-Volkswohlfahrt, Arbeitsfront und NS-Frauenschaft. Nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten wurden drei Ostertaler Kommunisten (Ludwig Müller, Niederkirchen, August Müller, Osterbrücken, und Paul Stuber, Hoof) für mehrere Wochen in ein provisorisches KZ in Neustadt gesperrt, linksverdächtige Vereine und Verbände wurden verboten, missliebige Bürgermeister und Ratsmitglieder abgesetzt bzw. ausgeschlossen. Versuche der verbotenen KPD, ihre Tätigkeit illegal fortzusetzen, wurden bis 1937 in der ganzen Pfalz von der Gestapo brutal niedergeschlagen. Zwei weitere Kommunisten, Max Keller aus Niederkirchen und Jakob Bergauer aus Osterbrücken, waren nach der „Machtübernahme“ zunächst ins neutrale Saargebiet und nach der Saarabstimmung 1935 weiter nach Frankreich geflüchtet, wo sie sich später der „Résistance“ anschlossen. Bergauer wurde aber nach der Besetzung Frankreichs durch deutsches Militär von der Gestapo verhaftet, verurteilt und starb in einem Zuchthaus. Zwei weitere „Linke“ mit Wurzeln im Ostertal kämpften im spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Internationalen Brigaden, beide kamen ums Leben.

In Deutschland versuchte das NS-Regime, mit dem „Heimtücke“-Gesetz möglichst jede Kritik am herrschenden System zu unterbinden. Doch das gelang nicht immer, wie zahlreiche Beispiele aus dem Ostertal belegen. Etliche Männer mussten allerdings für unbotmäßiges Verhalten bitter büßen. Willibald Gerharth aus Saal wurde, weil er in der Öffentlichkeit die „Internationale“ gesungen hatte, zuerst mit Gefängnis bestraft und dann ins KZ Auschwitz deportiert. Eduard Schäfer und Otto Biehl aus Bubach sowie Helmut Seyler aus Osterbrücken kamen ins Gefängnis, weil sie sich kritisch geäußert hatten, Erich Müller aus Niederkirchen, weil er dem stellvertretenden Bürgermeister Venter einen Geldschein an den Kopf geworfen hatte. Dem Euthanasie-Programm Hitlers fielen vier Männer aus dem Ostertal zum Opfer, mindestens 16 Frauen und Männer wurden zwangssterilisiert.

Der Mitautor Klaus Zimmer schildert in dem Buch den Aufbau der Elektrizitätsversorgung im Ostertal, die Anlegung neuer Straßen nach St. Wendel und nach Krottelbach, den Bau neuer Siedlungen und der Ostertaleisenbahn, das Feuerlöschwesen in den Dörfern und andere kommunale Einrichtungen wie Friedhöfe und Kriegerdenkmäler. Die Errichtung der WestwallAnlagen diente bereits der Vorbereitung des Krieges, in dessen Verlauf viele Zwangsarbeiter in den landwirtschaftlichen Betrieben des Ostertals zum Einsatz kamen. In Saal und Hoof gab es „Russenlager“, in Selchenbach erschlug ein polnischer Zwangsarbeiter eine Bäuerin und erhängte sich anschließend selbst. Ostertäler Familien gingen auf Geheiß der Partei nach Lothringen, um Bauernhöfe zu bewirtschaften und kamen im Herbst 1944 demoralisiert zurück, als die US-Front im Westen immer näher rückte. Der Luftkrieg und seine Schäden werden geschildert, auch die Notlandung eines amerikanischen Bombers auf dem Buberg, schließlich folgt die Besetzung der Westpfalz, des Saarlandes und des Ostertals. 240 Ostertäler kamen in dem von Hitler begonnenen Krieg ums Leben, mehr als 500 gerieten in Gefangenschaft. Schulgeschichte und Kirchengeschichte runden das Bild des mittleren Ostertals in einem äußerst ereignisreichen Zeitabschnitt von weniger als drei Jahrzehnten ab.

Band 4 der „Chronik“ umfasst insgesamt mehr als 1.300 Seiten und besteht aus zwei Teilbänden, die nur zusammen verkauft werden. Der Preis beträgt 42,50 Euro. Bestell-Annahme: Ewald Wailersbacher, Tel. 06856/660, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

Hans Kirsch