27.September 1987

Ansprache anläßlich der Enthüllung der Gedenktafel für den ehemaligen Bürgermeister König am 2.9.1987

Genau 50 Jahre waren es gestern her, daß zwischen Ottweiler und Niederkirchen zum ersten Mal eine Eisenbahn fuhr. Nach langen Jahren des Forderns und Planens war es endlich gelungen, dem Ostertal ein Beförderungsmittel zu geben, das es den Menschen hier erlaubte, täglich zu ihren Arbeitsplätzen fahren und wieder zurück zu fahren. Der Ausspruch von Margarete Cullmann aus Saal, die im Jahre 1896 an ihre Tochter Luise nach Nordamerika schrieb, wenn sie wiederkäme, könnte sie mit der Eisenbahn vielleicht bis ans Elternhaus fahren, und weiter: „....dann gibt's eine andere Welt“ besagt vieles über die damalige Sehnsucht der Menschen des Ostertals nach einem modernen Transportmittel, wie die Bahn eines war.

Daß es dann 1957, 40 Jahre nach dem Ausspruch der Margarete Cullmann, endlich so weit war, daran haben viele mitgewirkt. Vor allem seien an dieser Stelle die vielen Arbeiter aus dem Ostertal und der Umgebung genannt, die mit ihrer Hände Arbeit geradezu Berge versetzt, tiefe Erdeinschnitte gegraben und Trassen aufgeschüttet haben. Mit den größten Anteil an der Verwirklichung des Projekts aber hat ein Mann, für den der Ostertal-Bahnbau so etwas wie die Krönung seines Lebenswerkes war: Bürgermeister Ludwig König aus Niederkirchen.

Wenn der kürzlich verstorbene Gustav Edinger auf einer Entschließung aus dem Jahr 1919 über Verkehrsprobleme im Ostertal in späteren Jahren den handschriftlichen Vermerk angebracht hat „Dieser Text stammt von dein früheren Bürgermeister König, dessen ganzes Sinnen und Streben der Verkehrserschließung seiner Heimat galt, so hat er damit das vorweggenommen, was wir jetzt, viele Jahre später, beim Durcharbeiten der Akten des Ostertal-Bahnbaues noch einmal ganz deutlich vor Augen geführt bekamen.

Schon während seiner Zeit als Gemeindeschreiber der Bürgermeisterei Niederkirchen hatte der im Jahre 1874 geborene Ludwig König erkannt, daß das von den größeren Verkehrsadern doch ziemlich entfernt liegende Ostertal dringend eine Anbindung einerseits an das Industriegebiet an der Saar und andererseits an die Kreisstadt Kusel brauchte. Einen ersten Erfolg verbuchte man, als 1919 zwischen Kusel und dem Ostertal eine motorisierte Omnibuslinie der Post eingerichtet werden konnte. Doch das reichte nicht aus; das schon seit dem vergangenen Jahrhundert gesteckte Ziel einer Eisenbahn durchs Ostertal wurde von unseren Gemeinden weiterverfolgt.

König verlor dieses Ziel natürlich auch nicht aus den Augen, nachdem er 1924, nach Rückkehr von seiner Ausweisung aus der Pfalz, zum Bürgermeister der sieben Ostertalgemeinden gewählt worden war. Einstimmig übrigens gewählt worden war, auch mit den Stimmen der Kommunisten.

Als Bürgermeister entfaltete er bald rege Aktivitäten, er konnte das vor allein deshalb, weil er der erste hauptamtliche Bürgermeister der Ostertalbürgermeisterei war. Königs erste Maßnahmen waren auf den Wiederaufbau unseres wirtschaftlich nach dem Kriege schwer angeschlagenen Gebiets gerichtet. Mit Hilfe seiner während der Ausweisungszeit angebahnten Beziehungen zu vielen Staatsdienststellen, auch zu den Ministerien in München, wurden umfangreiche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durchgeführt. Immer wieder kamen wichtige Persönlichkeiten hierher, denen die Not dieses Gebiets vor Augen geführt wurden. So war 1925 einmal eine Abordnung des bayrischen Landtags im Ostertal zu Gast, einige Jahre später der Reichsminister für die besetzten Gebiete, von Treviranus. Ihnen allen erklärte König immer wieder die wirtschaftliche Not der Menschen des Ostertals und die Schwierigkeiten, die die Arbeiter hatten, um zu ihren Arbeitsstätten zu gelangen. Und dann sah es 1928/29 so aus, als ob mit dem Bahnbau tatsächlich begonnen werden könne.

Im Februar 1929 begab sich König selbst nach München, von wo er eine noch erhaltene Postkarte ans Bügermeisteramt Niederkirchen schickte, in der es hieß: Die Angelegenheit geht hier sehr gut von statten.“ Und doch wurde das Projekt wieder nicht verwirklicht, vor allem, weil sich die Regierungskommission des Saargebiets immer wieder dagegen sträubte.

1934 schließlich, als die Abstimmung im Saargebiet bevorstand, wurde mit dem Bau dann begonnen. Ludwig König hatte seinen Teil dazu getan, daß es endlich so weit gekommen war. Unzählige Gespräche hatte er geführt, Forderungen erhoben, mit seinen Gemeinden Resolution um Resolution verfaßt und damit, die zuständigen Stellen „ bombardiert“.

Am 28. Oktober 1934 schließlich war es so weit, der erste Spatenstich wurde - übrigens bei Hoof - vorgenommen. Daß die Bahnlinie nach Ottweiler und nicht nach Neunkirchen führte, entsprach nicht den Vorstellungen Königs, war aber aufgrund höherer Weisung nicht zu verhindern. Da half es auch nichts, daß er bei der kleinen Feier den Spaten, mit dem der erste Stich vorgenommen worden war, dem Neunkircher Bürgermeister Blank schenkte und nicht etwa seinem Kollegen aus Ottweiler.

Die Krönung des Lebenswerks Königs war schließlich die Einweihung der Ostertalbahn am 26. September 1937, also gestern vor 50 Jahren. Am Bahnhof Niederkirchen hielt er die Festrede vor einer schier unübersehbaren Menschenmenge. Und als am 15. Mai 1938 auch der obere Teil der Bahnlinie in Betrieb ging, war der Traum Königs und aller Ostertäler von einer eigenen Eisenbahn endlich erfüllt. Das alte Lied „ Oh Oschderdaal, oh Oschderdaal, ka Luftschiff on ka Eisebahn“ hatte nun keine Berechtigung mehr.

Ludwig König war, wie wir alle, ein Mensch mit Fehlern und Schwächen. Und er war nicht nur Kommunalpolitiker, sondern auch Parteipolitiker. Er war schon früh Mitglied der NSDAP, wie viele damals, wie fast alle Bürgermeister dieser Zeit. Er war nicht nur ein einfaches Mitglied der Partei, sondern wohl eher ein herausgehobenes, zumindest im Ostertal.

Doch das ist selbstverständlich nicht der Grund für uns, ihn heute zu ehren. Es hält uns allerdings auch nicht davon ab, ihn heute zu ehren. Denn unsere Ehrung gilt dem Kommunalpolitiker Ludwig König, gilt dem Mann, der so viel getan hat für unser Ostertal, der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen organisiert hat für die Arbeitslosen, der 1925 eine Verkehrsgesellschaft zwischen St. Wendel und dem Ostertal ins Leben rief, der die Niederkircher Autohalle baute, der in der Saaler Mühle die erste Kleinkinderschule des Ostertales einrichtete, der in der Steinpforr ein neues Schulgebäude errichtet, der für viele andere kommunale Maßnahmen Zuschüsse beschaffte wie kein anderer Ostertaler Kommunalpolitiker zuvor, in dessen Zeit auch der Ausbau der Reichsstraße 244, der heutigen Bundesstraße 420, fiel, und der eben auch in hervorragender Weise an der Durchsetzung des Bahnbaues beteiligt war.

Diesem Wirken Königs für das Ostertal, für unsere Heimat, gilt unsere heutige Würdigung, nichts anderem. In diesem Wirken, das wir zum Teil auch in der jetzigen Zeit noch verspüren, lebt Bürgermeister Ludwig König bis heute fort. Als er am 5. April 194o verstorben war, beschlossen die Gemeinderäte der sieben Ostertalgemeinden in einer Trauersitzung: „In Rücksicht auf die großen Verdienste, die sich Bürgermeister König um den Bau der Ostertalbahn erworben hat, und weil er der größte Förderer dieses Projektes war, und nur durch seinen unermüdlichen Einsatz dieses zur Ausführung kam, wird nach Beendigung des
gegenwärtigen Krieges in der Nähe des Bahnhofes Niederkirchen an einem noch näher zu bestimmenden Platze eine Gedenktafel errichtet“.

Da dieser Beschluß in den Wirren der Nachkriegszeit nicht verwirklicht worden ist, hat sich der Heimat- und Kulturverein Ostertal der Sache angenommen. Und weil sich der Bahnhof Niederkirchen mittlerweile in Privatbesitz befindet, haben wir für die Anbringung der Tafel das Anwesen der Familie König selbst gewählt.

Dem Bürgermeister der Stadt St. Wendel danke ich für die finanzielle Unterstützung, die er uns bei der Beschaffung der Tafel gewährt hat. Im Gedenken an Bürgermeister Ludwig König werde ich nun die Gedenktafel enthüllen.